Die Judenverfolgunfg im Dritten Reich (1941-1942)
Sie träumten noch immer von Wien. Ich mache bis drei Uhr früh des anderen
Tages Dienst. Hundemüde komme ich dann endlich um halb vier Uhr ins Bett.
12.7.41. Um sechs Uhr früh werde ich plötzlich aus meinem festen
Schlaf geweckt. Zur Execution antreten. Nun gut, spiele ich halt nochHenker und anschliessend Totengräber, warum nicht. Ist doch eigentümlich, da liebt man den Kampf und dann muss man wehrlose Menschen über den Haufen schiessen. Dreiundzwanzig sollten erschossen werden. Darunter befinden sich die schon erwähnten Frauen. Sie sind zu bestaunen. Sie weigerten sich, von uns auch nur ein Glas Wasser anzunehmen. Ich werde als Schütze eingeteilt und habe eventüll Flüchtende zu erschiessen. Wir fahren die
Landstrasse einige Kilometer entlang und gehen dann rechtseitig in einen
Wald. Wir sind nur sechs Mann augenblicklich und suchen nach einem geeigneten Ort zum Erschiessen und Vergraben. Nach wenigen Minuten haben wir so etwas gefunden. Die Todeskandidaten treten mit Schaufeln an, um ihr eigenes Grab zu schaufeln. Zwei weinen von allen. Die anderen haben bestimmt erstaunlichen Mut. Was wohl jetzt in diesem Augenblick in den
Gehirnen vorgehen mag? Ich glaub, jeder hat eine kleine Hoffnung, irgendwie doch nicht erschossen zu werden. Die Todeskandidaten werden in drei Schichten eingeteilt, da nicht so viele Schaufeln hier sind.
Eigentümlich, in mir rührt sich nichts. Kein Mitleid, nichts. Es ist eben so, und damit ist alles für mich erledigt...”.
Merkwürdig ist, dass der Mensch, der Tagebücher führt und hat vielleicht das Bedürfnis, seine Taten einzuschätzen, völlige
Gleichgültigkeit zeigt. Wir behandelten aber einen zu privaten Fall. Eine mehr generalisierte Information stellt uns der gebietskomissar Gert Erren in seinem Bericht “Freudigster Arbeitseinsatz” zur Verfügung.
Punktualität, Sachkündigkeit und schon erwähnte völlige Gleichgültigkeit verbinden sich in jeder Zeile. Wir führen nur diejenigen an, die unser unmittelbares Thema betreffen:
Judentum:
“Bei meiner Ankunft zählte das Gebiet Slonim etwa 25000 Juden, davon allein in der Stadt Slonim etwa 16000, also über zwei Drittel der gesamten
Stadtbevölkerung. Ein Ghetto einzurichten war unmöglich, da weder
Stacheldraht noch Bewachungsmöglichkeiten vorhanden waren. Daher traf ich von vornherein Vorbereitungen für eine künftige grössere Aktion. Zunächts wurde die Enteignung durchgeführt und mit dem anfallenden Mobiliar und
Gerät sämtliche deutsche Dienststellen, einschliesslich
Wehrmachtquartiere, ausgestattet und so weit grosszügige Hilfeleistung bei anderen Gebieten gestellt, dass jetzt beim Anwachsen aller Dienststellen bei mir selbst Mangel herrscht. Für Deutsche unbrauchbares Zeug wurde der
Stadt zum Verkauf an die Bevölkerung freigegeben und der Erlös der
Amtskasse zugefürt. Dann folgte eine genaue Erfassung der Juden nach Zahl,
Alter und Beruf, eine Herausziehung aller Handwerker und Facharbeiter, ihre Kenntlichmachung durch Ausweise und gesonderte Unterbringung. Die vom
SD am 13.11. durchgefürte Aktion befreite mich von unnötigen Fressern; und die jetzt vorhandenen etwa 7000 Juden in der Stadt Slonim sind sämtlich in den Arbeitsprozess eingespannt, arbeiten willig aufgrund ständiger
Todesangst und werden im Frühjahr genauestens für eine weitere
Verminderung überprüft und aussortiert. Das flache Land wurde eine
Zeitlang grosszügig von der Wehrmacht gesäubert; leider nur in Orten unter eintausend Einwohnern. In den Rayonstädten wird nach der Durchführung der hilfsarbeiten für die West-Ost-Bewegung das Judentum bis auf die notwendigsten Handwerker und Facharbeiter ausgemerzt werden. Da die