Hexenverfolgung am Beispiel von Anton Praetorius
Ein Pfarrer kämpfte gegen Folter und Hexenprozesse: Anton Praetorius
Zum 400-jährigen Gedenken an das Lebenswerk eines protestantischen Pfarrers
von Hartmut Hegeler
Die Hexenprozesse und ihre Ursachen
Die letzte Hinrichtung einer Hexe in Europa fand im Jahr 1787 in der Schweiz statt. Historiker gehen heute davon aus, dass etwa 100 000 Menschen in Hexenprozessen hingerichtet wurden. Es wurden nicht nur Frauen angeklagt. 30 % waren Männer und Kinder. Die Opfer kamen überwiegend aus ärmeren Bevölkerungsschichten. Nach den neuesten Forschungen ist nicht davon auszugehen, dass es sich um eine spezielle Vernichtungskampagne von Hebammen, weisen Frauen oder Kräuterhexen handelte.
Historiker suchen heute noch nach Gründen, wie es zu den Hexenverfolgungen kommen konnte. Fest steht, dass im 16. und 17. Jahrhundert in Deutschland und Europa ein geistiges Klima herrschte, das die Verfolgungen begünstigte. Kriege, Krankheiten und Katastrophen erzeugten bei den Menschen Angst und Panik. Es herrschte Endzeitstimmung. Um 1590 wüteten die spanischen Truppen in Deutschland. Eine Pestepidemie raffte zum Teil die Hälfte der Bevölkerung hinweg. Überall in Mitteleuropa sanken die Temperaturen - die sogenannte kleine Eiszeit. Die Ernten verdarben, die Menschen litten Hunger, das Vieh starb. Krankheiten breiteten sich aus.
Abbildung unten: Wetterzauber durch zwei Hexen
Prediger aller Konfessionen deuteten die "großen und schrecklichen Zeichen am Himmel" als Strafe Gottes wegen der Sünden der Menschen. Die Menschen fragten sich, wieso diese Katastrophen passierten. Sie führten in ihrer abergläubischen Weise alles auf Schadenszauber zurück. Hexen wurden beschuldigt, den Menschen gezielt Schaden zuzufügen. Man suchte Sündenböcke - und man fand sie. In der abergläubischen Bevölkerung begann eine Hetzjagd auf die ‚Hexen'. In dem Buch "Hexenhammer" der Mönche Sprenger und Institoris erhielten die Richter Anleitungen für das Überführen von Hexen.
Die weltlichen Gerichte gingen nicht zimperlich mit den ‚Hexen' um. Die Angeklagten wurden gefoltert, bis sie ein umfassendes Geständnis ablegten. Ihre Körper suchte man nach Hautveränderungen, Zeichen des ‚Teufelspaktes', ab. Anschließend warf man sie, an Hände und Füße gefesselt, ins Wasser. Trieben sie oben, waren sie Hexen und wurden hingerichtet. Versanken sie, waren sie unschuldig. Entgegen landläufigen Ansichten und anders als auf dieser Abbildung wurden die Angeklagten an Stricken gebunden und wurden wieder aus dem Wasser herausgezogen.
Abbildung unten: Wasserprobe
Martin Luther und Calvin
Seit 200 Jahren hat sich keine Kirche jemals offiziell zu den Hexenprozessen geäußert. Erst 1997 veröffentlichte die Synode der Evangelisch Lutherischen Kirche in Bayern eine Stellungnahme zu der Mitverantwortung der protestantischen Kirche zu den Hexenprozessen. Berühmte Protestanten wie Martin Luther oder Johannes Calvin forderten die gerichtliche Verfolgung von Zauberern und Hexen gemäß der Aussage des Alten Testaments ´Die Zauberinnen sollst du nicht am Leben lassen` (2.Mose 22,17). Weitgehend unbekannt ist, dass in evangelischen Gebieten die Scheiterhaufen genauso hell brannten wie in katholischen. Die Verfahren wurden allerdings im Gegensatz zur landläufigen Überzeugung nicht von kirchlichen, sondern von weltlichen Gerichten durchgeführt.
Hexen oder Heilige?
Die Gerichtsprotokolle überliefern uns Schilderungen der Verhöre der Frauen, Männer und Kinder, die der Hexerei angeklagt waren. Manche waren selbst unter schlimmen Foltern nicht dazu zu bewegen, den Vorwurf der Hexerei und der Mitgliedschaft in der Teufelssekte zuzugeben. Bis zuletzt haben sie an ihrem Glauben an ihren Herrgott festgehalten und sich zur heiligen Kirche bekannt. Sie haben sich als Märtyrer erwiesen.
Es gab keine "Hexen", sondern die Angeklagten wurden unter der Folter zu diesen Geständnissen gezwungen. Ohne Geständnis konnte nach der Carolina, der kaiserlichen Halsgerichtsordnung, kein Todesurteil verhängt werden.
Die Christen-Ehre der Hexen wiederherstellen?Noch heute wird in manchen Familien überliefert, dass eine der Vorfahren in einem Hexenprozess verbrannt wurde. Es ist zu beklagen, dass es in den Kirchen nie Bemühungen gegeben hat, ihre Christen-Ehre wieder herzustellen. In den meisten Orten sind die Namen der Opfer in Vergessenheit geraten. Nur an wenigen Orten erinnern Denkmäler an ihr Schicksal. Dies sollte Anstoß geben für eine glaubwürdige christliche Stellungnahme zu den Hexenverfolgungen als ein Beitrag zur kirchlichen "Dekade zur Überwindung der Gewalt". "Sich seiner historischen Verpflichtung zu stellen, kann den Opfern und ihren Nachkommen zumindest die ihnen geraubte Würde zurückgeben" (Bundesaußenminister Fischer). ´Die unschuldigen Opfer eines gnadenlosen Systems verdienen auch nach bald 350 Jahren unsere Achtung, jeder Name ein ehrenvolles Andenken. Darin liegt die Verpflichtung, sich der Gefahren totalitärer Systeme bewußt zu werden und die Würde jedes Menschen zu verteidigen´
(Dr. Alfred Bruns, Landesarchivdirektor Münster).