Hermann Hesse
Erfroren, erstarrt das glühende Herz,
Und die kindliche Unschuld betrogen.
Die Kindheit, sie ist so schnell verschäumt
Und der Traum der Liebe so schnell verträumt,
Verklungen die heiteren Lieder,
Und der Glaube, der frohe, hoffende Sinn,
Mit Lenz und Tugend ist lange dahin
Und nimmer kehret er wieder.
Das Leben, es war so hell und so süß
Und die blühende Erde ein Paradies,
Und jetzt ist alles verdorben,
Das Spiel und der Scherz und der Erde Tand
Und der wagende Mut erlosch, entschwand,
O wär ich doch lange gestorben!
Der Sommer ging und der Winter kam
Und im Herzen wohnt mir ein ewiger Gram
Und ein ewiges, schmerzliches Sehnen,
Der Morgen kommt und der Morgen geht
Und am Abend ist alles, alles verweht
Und bleiben mir nur die Tränen.
Hermann Hesse, Stetten, 28. Juni 1892
Diesem Gedicht folgen noch einige dieser Art. Hermann Hesse entwickelt einen Hass auf seinen Vater. Er gibt ihm die Schuld an seiner Lage. Er möchte in Briefen nicht mehr 'Lieber Hermann' von ihm genannt werden. Aus der Anstalt schreibt der depressive und verzweifelte Hesse an seinen Vater:
"Da Sie sich so auffällig opferwillig zeigen, darf ich Sie vielleicht um 7 M oder gleich um den Revolver bitten. Nachdem Sie mich zur Verzweiflung gebracht, sind sie doch wohl bereit, mich dieser und sich meiner rasch zu entledigen. Eigentlich hätte ich ja schon im Juni krepieren sollen. (...) Aus dem 'lieben Hermann' ist ein anderer geworden, ein Welthasser, eine Waise, deren 'Eltern' leben..."
Er unterschreibt diesen Brief mit ' H. Hesse, Gefangener im Zuchthaus zu Stetten'. In Stetten begeht Hesse einen Selbstmordversuch, nachdem seine Liebe zu einer Frau nicht erwidert wird. Auch hier zeigen sich wieder Parallelen zwischen ihm und seiner Romanfigur Hans Giebenrath. Hans will sich nach seinem schulischen Versagen im Wald erhängen. Es bleibt jedoch bei dem Vorhaben. Im Oktober 1892 verlässt Hesse die Anstalt Stetten. Daraufhin verbringt er ein paar Wochen in der Knabenanstalt in Basel. Im November geht Hesse nach Bad Cannstatt und besucht dort das Gymnasium. Er beginnt langsam an sich zu arbeiten.