Hermann Hesse
Doch kurz darauf flieht Hesse unerwartet aus dem Kloster.
Was bringt ihn so weit, dass er es in dem vor kurzem noch so geliebten Kloster nicht mehr aushielt?
Die Gründe dafür kann man mit den Problemen von Hans Giebenrath und Heilner aus dem Roman 'Unterm Rad' gut vergleichen: Hans ist ein sehr strebsamer und intelligenter Junge, dem das Lernen leicht fällt. Aber seine Begabungen werden von Vater, Stadtpfarrer und Rektor ausgenutzt, die nur 'das Beste' für Hans wollen. In Wirklichkeit wollen sie aber, dass Hans das erreicht, was sie nicht erreicht haben. Hans' Vater ist nur ein einfacher Zwischenhändler. Er will, dass sein Sohn 'etwas Besseres' wird. Doch es war zu viel des Guten. Hans und auch Hesse erfahren zu viel Druck, religiöse Erwartungen und sind Zwängen ausgesetzt, die irgendwann nicht mehr ausgehalten werden können. Doch es wird nicht nur Druck von Fremden ausgeübt, auch Hans Giebenrath selbst ist sehr streng mit sich und sehr ehrgeizig, was dazu führt, dass er sich keine Pause gönnt und immer unter den Besten sein möchte. Hesse war schon von früher Kindheit an ein eigenwilliger Mensch und wollte sich in seine vorbestimmte Zukunft nicht einfügen.
"Die Sache war so: von meinem dreizehnten Jahr an war mir das eine klar, dass ich entweder ein Dichter oder gar nichts werden wolle. Zu dieser Klarheit kam aber allmählich eine andre, peinliche Einsicht. Man konnte Lehrer, Pfarrer, Arzt, Handwerker, Kaufmann, Postbeamter werden, auch Musiker, auch Maler oder Architekt, zu allen Berufen der Welt gab es einen Weg, gab es Vorbedingungen, gab es eine Schule, einen Unterricht für den Anfänger. Bloß für den Dichter gab es das nicht! Es war erlaubt und galt sogar für eine Ehre, ein Dichter zu sein: das heißt als Dichter erfolgreich und bekannt zu sein, meistens war man leider dann schon tot. Ein Dichter zu werden aber, das war unmöglich, es werden zu wollen war eine Lächerlichkeit und Schande, wie ich sehr bald erfuhr."
So scheitert Hesse im Kloster Maulbronn bei dem Versuch, ein Dichter zu werden. Ähnlich ergeht es Heilner. Er ist auch sehr begabt und manche nennen ihn ein Genie. Doch für solch außergewöhnlich Begabte gibt es in einer Einrichtung wie dem Seminar keinen Platz.
"Ein Schulmeister hat lieber einige Esel als ein Genie in seiner Klasse, und genau betrachtet hat er ja recht, denn seine Aufgabe ist es nicht extravagante Geister heranzubilden, sondern gute Lateiner, Rechner und Biedermänner."
Deshalb flieht Heilner, genau wie Hesse aus dem Seminar. Hans dagegen wird in der Schule immer schlechter und bekommt schließlich einen Nervenzusammenbruch. Auch Hesse verschlechtert sich immer mehr in seinen Leistungen und wird nach einem Nervenzusammenbruch nach Hause entlassen. Hesse vergleicht sich einerseits mit Heilner, dem Dichter, dem Genie, andererseits aber auch mit dem strebsamen Hans, den man durch Zwänge um seine Jugend bringt.
"Man erinnere sich: die erste Wandlung war eingetreten in dem Augenblick, wo mir der Entschluss bewusst wurde, ein Dichter zu werden. Der vorherige Musterschüler Hesse wurde von da an ein schlechter Schüler, er wurde bestraft, er wurde hinausgeworfen, er tat nirgends gut, machte sich und seinen Eltern Sorge um Sorge - alles nur, weil er zwischen der Welt, wie sie nun einmal ist oder zu sein scheint, und der Stimme seines eigenen Herzen keine Möglichkeit einer Versöhnung sah."
Die Zeit in den AnstaltenNach dem misslungenen Klosterbesuch begannen für Hermann Hesse Jahre, in denen er immer wieder neue Versuche beginnt seinem Leben einen Sinn zu geben, jedoch immer wieder scheiterte.
"Mit der Flucht aus Maulbronn, die zunächst nicht viel anderes als die Kurzschlussreaktion eines sensiblen, phantasievollen und leicht erregbaren jungen Menschen war, begann eine Zeit schwerer seelischer Konflikte, die sich in Nervenkrisen äußerten, im Grunde aber ein verzweifelter Kampf um Selbstbehauptung waren, um Verteidigung des eigenen Ichs und des früh bewusst gewordenen Dichtertums gegenüber den starren religiösen Traditionen der Familie und gegenüber all den mächtigen und so gesicherten Autoritäten, von denen er sich umstellt sah."
Hesse wird in verschiedene Anstalten geschickt, um sein Nervenleiden zu behandeln, aber es zeigen sich keine Erfolge. Der erste Versuch ist die Anstalt Bad Boll. Doch auch dort kann sich Hesse nicht von seinen Depressionen befreien.
Er schreibt in einem Brief an seine Eltern:
"In meinem Kopf ist's so heiß, ich spüre meist so einen unbestimmten, drückenden Schmerz, besonders in Brust und Stirn, dass ich mich noch nicht recht hier anschließen konnte."
Danach wechselt Hesse in die Anstalt Stetten. Er versinkt in eine tiefe Melancholie und Hoffnungslosigkeit, die sich in einem sehr bewegenden Gedicht äußert, das der vierzehnjährige Hesse an seinem ersten Tag in der neuen Anstalt schreibt:
Auch ich hab einst nach dem Glücke gestrebt,
Auch ich bin nicht lächelnd durchs Leben geschwebt,
Doch alles ist lange verflogen,
Verflogen der Traum von Freude und Scherz,