Ludwig van Beethoven
Im Juni 1813 siegte der Herzog von Wellington über Napoleon. Auf Anregung des Erfinders Johann Nepomuk Mälzels (1772-1838) schrieb Beethoven die „Schlachtensinfonie" op. 91, „Wellingtons Sieg". Ursprünglich war das Stück für Mälzels „Panharmonicon", ein mechanisches Musikinstrument gedacht. In der Orchesterbearbeitung wurde es am 8. Dezember zusammen mit der siebenten Sinfonie bei einem Wohltätigkeitskonzert uraufgeführt und erregte ungeheures Aufsehen. Im Orchester, das für die „Schlachtensinfonie" eine ungewöhnlich große Besetzung erforderte, saßen die berühmtesten Musiker Wiens, unter anderem die Komponisten Johann Nepomuk Hummel und Antonio Salieri. Das Konzert wurde vier Tage später wiederholt; der Reinerlös der beiden Vorstellungen von insgesamt 4000 Gulden kam den Kriegsopfern zugute.
Die großen Erfolge der letzten Jahre
Nun folgte eine Reihe von glanzvollen Konzerten. Im Februar 1814 erklang erstmals die achte Sinfonie op. 93, im April das „Erzherzogtrio" op. 97. Fidelio wurde von Grund auf überarbeitet und ging am 23. Mai im Kärntnertortheater unter Beethovens Leitung über die Bühne; die zweite Aufführung am 26. Mai eröffnete eine neue, die jetzige Fidelio-Ouvertüre (die drei vorher entstandenen werden als Leonoren-Ouvertüren bezeichnet). Für die Eröffnung des Wiener Kongresses 1814 schrieb Beethoven die Kantate „Der glorreiche Augenblick" op. 136, die am 29. November im Rahmen einer Akademie im Großen Redoutensaal erstmals gegeben wurde; auf dem Programm stand neben „Wellingtons Sieg" auch die siebente Sinfonie. Die Kaiserinnen von Österreich und Rußland, der König von Preußen und fast alle der fürstlichen Teilnehmer des Wiener Kongresses wohnten dem Konzert bei, im Orchester wirkten wieder die berühmtesten Musiker Wiens mit.
Der Streit um die Vormundschaft
Am 15. November dieses Jahres starb sein Bruder Caspar Carl. Beethoven fühlte sich für dessen einzigen Sohn verantwortlich und bemühte sich um die alleinige Vormundschaft, was langwierige Steitigkeiten mit der Mutter des Knaben zur Folge hatte. Nach aufreibenden Prozessen durch verschiedene Instanzen wurde ihm schließlich im April 1820 das alleinige Sorgerecht zugesprochen. Ein umfangreiches Schreiben Beethovens vom Februar 1820 an den Wiener Magistrat zeugt von seinen Anstrengungen in diesen Auseinandersetzungen und beleuchtet die kompromißlosen Erziehungsprinzipien des Komponisten.
Beethoven um 1818Beethoven hatte den Jungen 1816 für zwei Jahre in ein privates Erziehungsinstitut gegeben; nach seinem Schulabschluß hatte Karl die Universität besucht, dann wechselte er an das Polytechnikum. Zermürbt durch die andauernden emotionalen Belastungen, machte er am 30. Juli 1826 einen Selbstmordversuch, den er glücklicherweise überlebte. Beethoven war dadurch zutiefst getroffen. Er gab nun dem Wunsch seines Neffen nach und erlaubte ihm, ins Militär einzutreten.
Der Streit um die Vormundschaft hatte Beethoven nicht nur große finanzielle Einbußen gebracht, sondern ihn auch für längere Zeit in seiner Schaffenskraft nahezu gelähmt. Seine Ertaubung war nun so weit fortgeschritten, dass er sich nur noch schriftlich mit seiner Umgebung verständigen konnte.
Die Konversationshefte
Beethovens Schwerhörigkeit hatte etwa 1818 einen Grad erreicht, der den Komponisten zwang, mit seinen Gesprächspartnern schriftlich zu kommunizieren. Zu diesem Zweck trug er ständig ein Notizbuch bei sich; an die 400 soll er im Laufe der Zeit vollgeschrieben haben.
Heute sind 137 dieser sogenannten Konversationshefte erhalten, sie stellen eine aufschlußreiche Quelle für Beethovens Lebensjahre von 1818 bis 1827 dar. Dabei liegt die Bedeutung des Materials in erster Linie darin, dass es uns eine Vorstellung von der Lebensweise Beethovens vermittelt, eingehende Erklärungen über seine kompositorische Arbeitsweise sind eher selten. Unter anderem geben ausführliche Aufzeichnungen Aufschluß über die Vorbereitungen zur Uraufführung der neunten Sinfonie op. 125 am 7. Mai 1824, doch werden auch familiäre Begebenheiten, etwa Karls Selbstmordversuch, erörtert.
Eine Vielzahl persönlicher Notizen, Einkaufslisten, Briefskizzen, Abschriften von Zeitungsannoncen und sogar Kompositionsskizzen finden sich unter den Eintragungen.
Die ungeheure Fülle an Informationen muss allerdings mit gewisser Vorsicht behandelt werden. Einerseits geben die Aufzeichnungen fast ausschließlich die Äußerungen der Gesprächspartner wieder, andererseits haben längst nicht alle Konversationen Beethovens schriftliche Spuren hinterlassen, da sich einige seiner Freunde und Bekannten (etwa Erzherzog Rudolf) trotz seines Gebrechens nach wie vor mündlich mit ihm unterhielten.
Dazu kommt, dass die Hefte nach dem Tod des Komponisten in den Besitz Anton Schindlers (1795-1864) gelangten, der seit 1819 sein Adlatus war und später die erste Beethoven-Biographie verfaßte. Schindler fügte nachträglich zahlreiche Eintragungen ein, um den Anschein zu erwecken, er habe in engem Kontakt zu Beethoven gestanden. Während der letzten drei Jahrzehnte gelang es der Forschung jedoch, die gefälschten Textstellen Schindlers zu identifizieren. Seit den sechziger Jahren arbeitet ein Team der Deutschen Staatsbibliothek, wo sich die meisten Konversationshefte befinden, an einer wissenschaftlich fundierten zehnbändigen Ausgabe des umfangreichen Materials.
Beethovens Wohnorte
Allein die Anzahl der Wiener Wohnungen des Komponisten beläuft sich ohne die Quartiere, die er während der Sommermonate bewohnte, auf mindestens dreißig.
Beethoven galt als schwieriger Mieter. Einerseits führte sein ungestümes Wesen immer wieder zu Auseinandersetzungen mit den benachbarten Mietern, andererseits hatte er oft Sonderwünsche. So bevorzugte er vor allem südseitig gelegene Wohnungen, die eine gute Aussicht hatten und sich in ruhiger Lage befanden; in Wien war es ihm wichtig, in der Nähe der Innenstadt zu wohnen. Oft hatte er bald nach seinem Einzug an der Wohnung etwas auszusetzen und suchte sofort eine neue Bleibe.